Suse Itzel und Gesa Lange
07. – 24. August 2021
JIGSAW PUZZLE
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JIGSAW PUZZLE
Suse Itzel und Gesa Lange 07. - 24. August 2021
Gedanken bahnen sich ihren Weg, drehen sich im Kreis, verdichten sich, geraten an Grenzen, jagen auseinander, verflüchtigen sich.
Straßenteppiche für Kinder: klar strukturiert, mit Straßenverläufen, Zebrastreifen, Häusern und Grünflächen. Suse Itzel (*1984) zerlegt die Teppiche und setzt ihre Einzelteile in anderer Formation zusammen. Es entstehen neue, verwirrende Strukturen, deren Sinnhaftigkeit verloren gegangen ist: Straßenlabyrinthe ohne Ausgang, versperrte oder sich im Kreise drehende Wegführungen; quälend - vom rational-inhaltlichen Standpunkt aus betrachtet -, wunderschön als neues, ästhetisches Gefüge.
Auch bei ihrer Serie „Fliesen Ausgerissen“ arbeitet Itzel mit bestehenden Strukturen, um sie in einem Prozess von Auflösung und Zerstörung zu einem neuen System zusammenzuführen. Sie zerteilt die Drucke von fotografierten Böden in ihre einzelnen Fliesen. Von den Papierfliesen trägt sie partiell – mal mehr, mal weniger stark – die von der Druckertinte benetzte Oberfläche ab, bis die unteren rauen, weißen Papierschichten hervorkommen. Sie fügt den Fliesenboden als Bild neu zusammen. Spuren des Ursprungsbildes bleiben bestehen, schemenhaft, wie eine verblasste oder abgerissene Erinnerung.
Mit ihrer klaren Linienführung einerseits, den vielen losen Fadenenden und Unregelmäßigkeiten im scheinbar perfekten Rastersystem andererseits, bewegen sich die Stickzeichnungen von Gesa Lange (*1972) auf einem schmalen Grat zwischen geordneter Konstruktion und deren Scheitern. Mit einer genauen Vorstellung und um Perfektion bemüht, verletzt die Künstlerin bei jedem Stich mit der Nadel die grundierte Leinwand, auf der die Arbeiten entstehen. Doch die Hand führt ein Eigenleben, durch das leichte, irreversible Abweichungen von der geplanten Linienführung entstehen können, die den nächsten Stich wiederum mitbestimmen.
Bei Langes Graphitzeichnungen spürt man den Prozess von Konstruktion und Zerstörung, von Hervorbringung und Auslöschung geradezu physisch. In zahllosen Schichten trägt die Künstlerin Graphit auf die Leinwand auf, legt Bleistiftschraffur über Bleistiftschraffur, reibt, schmirgelt, kratzt oder wäscht das Entstandene wieder herunter, trägt erneut Material auf, um im nächsten Schritt wieder zu löschen. Wie Sedimente lagern sich die Schichten auf dem Bildgrund ab, bilden gefährdete, in stetem Wandel befindliche Strukturen, die Zeit und Raum zu konservieren scheinen.
Bereits drei raumbezogene Installationen haben die beiden Künstlerinnen gemeinsam entwickelt und umgesetzt. Die in der Ausstellung gezeigte Arbeit „fil á fil II“ entstand während eines Residenzstipendiums der beiden Künstlerinnen 2019 in Salzburg und geht von dem Grundriss des damaligen Ausstellungsraumes periscope:project:space aus. Zwischen Konkretisierung und Abstraktion untersuchen die Künstlerinnen den Dimensionsbegriff des Raumes. Vervielfältigt, gespiegelt und ineinander verschoben entstehen aus dem Grundriss Mustervariationen, welche die Merkmale des Raumes abstrahieren und transformieren.
Suse Itzel (*1984 in Neuss) studierte Freie Kunst an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. 2022 wird sie ihr Postgraduierten-Studium an der Kunsthochschule für Medien in Köln abschließen. Sie erhielt zahlreiche Stipendien und Auszeichnungen, u.a. von der Heitland Foundation oder der Roger Willemsen Stiftung und das Arbeitsstipendium der Stadt Hamburg. Itzel arbeitet häufig installativ und ortsspezifisch, in ihren Videos inszeniert sie den Zerfall von Material und Raum. Sie lebt und arbeitet in Hamburg und Köln.
Gesa Lange (*1972 in Tongeren, Belgien) studierte Illustrations- und Kommunikationsdesign an der HAW Hamburg und anschließend Freie Kunst an der HFBK Hamburg. Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen Ausstellungen in Deutschland und dem europäischen Ausland gezeigt und sind in öffentlichen Sammlungen der Stadt Katrineholm (Schweden) sowie den Künstlerbuchsammlungen des Museum Reina Sofia Madrid, des Museu d’Art Contemporani de Barcelona, der Hamburger Kunsthalle, den Staatlichen Museen zu Berlin und der Weserburg, Museum für moderne Kunst, Bremen, vertreten. Seit 2011 hat sie eine Professur für Zeichnung an der HAW Hamburg inne. Gesa Lange lebt und arbeitet in Hamburg.
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