Peter Nikolaus Heikenwälder
5. Mai – 9. Juni 2007
Schicht Wechsel
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Peter Nikolaus Heikenwälder
Schicht Wechsel 5. Mai - 9. Juni 2007
Peter Nikolaus Heikenwälders Arbeiten spielen mit genau diesen unterschiedlichen Ebenen der Erkenntnisgewinnung. Seine Bilder erschließen sich nicht auf den ersten Blick. Man erkennt sofort einzelne Formen – organische, technische, figürliche oder ganz und gar undefinierbare – und beginnt aufgrund seiner Erfahrungen zu assoziieren und die Formen mit Bekanntem zu identifizieren. Sieht dies aus wie eine Handgranate oder das wie ein aufgeschnittener Pilz? Ist hier ein Körper gemeint und was sind das für Fell- oder Blütenstrukturen? Stets ist man als Betrachter versucht, die Dinge zu benennen.
Aber macht das Sinn? Nach dem ersten spontanen Assoziieren merkt man schnell, dass sich auf diesem Weg allein zu wenig erschließt. Kein Ding bei Heikenwälder bildet eine Gestalt der Wirklichkeit ab. Und schon lassen wir unsere Blicke und Gedanken schweifen, versuchen nicht mehr jedem Ding einen Namen zu geben. Wir überlassen uns dem Bildgefüge mit seinen sonderbaren Gebilden und Gestalten, sind gezwungen, unserer Einbildungskraft zu vertrauen. In ihrem „dunklen Reich“ ergeben sich Zusammenhänge, die dem verstandesmäßigen Zugriff verschlossen bleiben.
Zunächst findet sich scheinbar kein erzählerischer Zusammenhang. Erst nach und nach wird man der unterschiedlichen Ebenen gewahr, aus denen das Bild sich aufbaut, dringt in die Tiefen der Komposition vor. Die zuvor vereinzelten Formen nehmen Verbindung zueinander auf, gehen Beziehungen ein quer über das Bildfeld. Sie bilden einen Zusammenhang. Ein Handlungsraum wird suggeriert, den Formen bevölkern, denen wir Dank unserer Phantasie Rollen und Funktionen zuweisen. Damit tritt wieder die verstandesmäßige Ordnungsbildung in Aktion. Wir beginnen die Dinge in ein logisches Gefüge zu bringen, konstruieren einen Kontext. Scheinbar absurde Formationen gewinnen in diesem Prozess Gestalt. Auf diese Weise spielen die verschiedenen Erkenntniskräfte ineinander, lösen sich voneinander und finden auf einer höheren Ebene wieder zusammen.
Heikenwälder konzentriert sich auf ein bestimmtes Formenrepertoire, das in vielfältigen Abwandlungen sich wie eine Grundströmung durch seine Bilder zieht. Runde oder vieleckige Durchgänge schleusen in das Bildgeschehen ein. Es finden sich röhrenförmige Körper oder Hohlräume. Technische Objekte stehen organisch-natürlichen Formen gegenüber, glatte, geschlossene Oberflächen porösen, belebt strukturierten. Immer wieder bannen konzentrische Kreise den Blick des Betrachters. Gereihte Quadrate und Rechtecke oder ornamentale Elemente treten vereinzelt, oft jedoch in gliedernden Formationen auf. Häufig überziehen sie fast aufdringlich farbkräftig und dominant das subtile Bildgeschehen. Niemals begegnet ein vollständiger menschlicher Körper. Einzelne Körperpartien, die teilweise überraschend realistisch wiedergegeben sind, identifiziert man in dem Formgemenge oft erst spät als solche.
In immer neuen Schichten legt Heikenwälder seine Formkompositionen auf die Leinwand. Jede Schicht reagiert auf die davor entstandene und jede Schicht bleibt - und wenn auch noch so schemenhaft – am Ende sichtbar. Formen überdecken Formen vollfarbig. Oder aber sie lassen geisterhaft-transparent die untere Form durch sich hindurch scheinen, legen ihre eigene Farbigkeit als dünne Schicht über die untere, so dass im überschneidenden Bereich sich beide Farben durch Überlagerung mischen. Heikenwälder nutzt hierfür eine alte Technik. Die Farbe wird satt aufgetragen und dann in dem gewünschten Maße ausgewischt. Auf diese Weise erzielt er mal einen deckenden, mal einen ganz durchscheinend lasierenden Farbauftrag. Und er erreicht, dass trotz der zahlreichen Schichten am Ende niemals eine dicke Farbschicht auf der Leinwand liegt. Immer bleibt die Oberfläche durchscheinend und leicht und damit die Malerei selbst als zeitlicher wie auch als kommunikativer Prozess erfahrbar.
Heikenwälder bietet mit seinen Bildern keine fertige Erzählung an, aber er zeigt eine Welt voller Möglichkeiten, die mit unserer eigenen Erfahrungswelten spielt. Er bildet nicht ab und doch schafft er Spiel-Räume, in denen die Dinge Gestalt annehmen, sich Bezüge herstellen, Landschaften entstehen, Kommunikationsprozesse in Gang kommen. Sowohl die Art der Darstellung als auch die materielle Gestaltung seiner Arbeiten zwingt den Betrachter auf seinen ganz persönlichen Fundus von Welterfahrung zurück zu greifen und dabei gleichzeitig sicher Geglaubtes über Bord zu werfen. Zu alledem ist Witz und Ironie im Spiel, eine irritierende Herausforderung für jeden Versuch, die Welt der Heikenwälderschen Malerei zu ergründen.